Tischlermeisterin Dörte Albrecht musste schmunzeln, als sie auf dem Dachboden alte Fachzeitschriften für Tischler fand. Beim Durchlesen stieß sie auf einen Artikel aus dem Jahr 1954 „Ratschläge für Tischlerinnen“, der in dem abschließenden Trost gipfelte, „daß auch in der Tischlerwerkstatt eine Frau nützlich sein kann“.
Dörte Albrecht hat in den 80er Jahren eine Tischlerausbildung gemacht, die Meisterprüfung absolviert, um dann 2001 die Tischlerei ihres Vaters im schleswig-holsteinischen Klappholz zu übernehmen. Mit zwei Gesellen bietet sie das gesamte Spektrum der Branche: Vom Möbel- und Innenausbau bis hin zu Fenster und Haustüren. „Gut, dass wir jetzt das Jahr 2008 schreiben und ich als Frau in einer Tischlerwerkstatt immer gut klar gekommen bin, es nie Probleme und auch keine Finger zum Verbinden gab!“
Und hier die „Ratschläge für Tischlerinnen“ von Christian Wiedemann aus dem Jahr 1954: „Sollten Sie, meine Damen, jemals in die immerhin ungewöhnliche Lage kommen, in einer Tischlerwerkstatt zu arbeiten, so empfehle ich Ihnen, folgendes zu beachten, das ich aufgrund meiner Erfahrungen aufgestellt habe: Vor allem wappnen Sie sich gegen alles und alle mit einer großen Portion Humor. Lachen Sie mit, wenn man Sie verspottet, und nehmen Sie sich selbst nicht zu ernst.
Haben Sie Geduld mit den oft rauhen Gesellen, aber auch mit sich selbst. Sie werden bald merken, daß die polternde und laute Art der Männer aus Unsicherheit geschieht, und finden schnell Ihr Selbstvertrauen wieder, wenn es durch handwerkliche Missgeschicke verloren gegangen ist.
Und wenn Ihnen die große, schwere Rauhbank Angst einflößen sollte, schließen Sie sofort Freundschaft mit ihr, streicheln Sie sie mit den noch zarten Händen, und der Klotz wird sich geschmeichelt fühlen und seine Tücken einer Dame gegenüber zu mäßigen wissen.
Merken Sie sich immer, wo der Stemmknüppel liegt oder steht – er ist eine herrliche Waffe gegen alle und alles.
Doch sicherlich haben Sie dererlei Hilfsmittel nicht nötig – ein Lächeln hat schon manchen noch so griesgrämigen und starren Gesellen ins Gegenteil verwandelt. Und das ist auch ein sehr wichtiger Punkt: Seien Sie zu allen freundlich, und man wird es Ihnen durch tausend kleine Hilfeleistungen und Nettigkeiten vergelten, Sie ahnen nicht, wie gerührt so ein zottiger, alter Geselle sein kann, wenn Sie ihm beispielsweise den Finger verbinden.
Falls Sie wirklich große Schwierigkeiten mit ihren handwerklichen Leistungen haben sollten, trösten Sie sich, daß Sie ja nur eine Frau sind – sagen Sie es aber nie als Entschuldigung. Außerdem gibt es auch bei den Tischlern viele Tricks, um eine missratene Sache nicht gleich dem Feuer zu übergeben.
Als abschließenden Trost möchte Ich Ihnen sagen, daß auch in der Tischlerwerkstatt eine Frau nützlich sein kann!“
Teilen:
Hobelbank am Straßenrand
